Wir haben ein Hörspiel geschrieben, mit dem Ziel das Konzept des Affekts für Kinder zu vermitteln. Das Hörspiel „Spatzevogel“ wurde für Kinder ab ca. 5 Jahren aber auch für Erwachsene entwickelt. Wir möchten mit der Geschichte Kindern vermitteln, dass Geographie mehr ist, als das blosse Auswendiglernen der Weltkarte.
Das ganze Hörspiel ist hier zu finden und eine hochdeutsche Übersetzung der ersten Minuten zur Beschreibung des Rahmens der Geschichte im Folgenden:
Es war einmal ein Spatzenvogel, der sich die Welt anschauen wollte. Er flog weit weg über Berge, Ozeane und Wüsten bis er in ein Land kam, das sein Interesse sofort weckte. Noch nie, auf seiner ganzen Reise nicht, hat er so etwas gesehen. Von oben in der Luft fiel ihm zuerst nichts auf, doch als er sich auf dem Ast eines Baumes etwas ausruhen wollte, beobachtete er die Geschöpfe, die dort lebten. Die waren komisch.
In diesem Land lebten die Geschöpfe in vier Gruppen.
Da gab es die Schlaulis, die in den Bergen lebten. Sie lasen viele Bücher, die so gross waren wie ein Vogelnest breit, sie erfanden Sachen, erforschten die Berge, spielten immer Quiz miteinander und fragten immer sooo viele Fragen, weil sie alles wissen wollten.
Es gab auch einen grossen Wald, in dem die Naturlis wohnten. Der Spatz fand diese Naturlis sehr sympathisch, denn sie hatten einen grossen Garten mit Gemüse und Obstbäume mit Früchten, die er stibitzen konnte. Die Naturlis waren immer draussen und spielten mit Tieren, sammelten Blumen, bauten Hütten im Wald und suchten Pflanzen, Steine und Holz, um allerlei Sachen daraus zu machen.
Die Sportlis lebten auf den Wiesen neben dem Fluss, wo der Spatz einen Schluck Wasser trinken wollte. Diese Sportlis waren immer in Bewegung, sie rannten um die Wette, sie spielten auf der Wiese Spiele mit einem Ball, sie schwammen im Fluss und wollten am liebsten den ganzen Tag hüpfen, turnen und zappeln - Hauptsache immer bewegen.
Einmal flog der Spatz fast in einen Papierflieger der aus einem der bunten Häuser des Dorfes kam, wo die Farblis lebten. Und was machten die Farblis? Die liebten es zu basteln, zu zeichnen, zu malen und alle liefen mit Papier, Stiften, Pinseln, allen möglichen Farben und mit Bastelsachen herum - stets bereit etwas mit ihren grossen Händen zu machen.
Gesellschaftliche Relevanz des Hörspiels
So wie die Farblis, Schlaulis, Sportlis und Naturlis mit ihren jeweiligen Eigenschaften und Gegenständen sind auch wir aus unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Identitäten, Kulturen und Interessen. Durch die Globalisierung, einer sich wandelnden Mobilität oder auch neuen Kommunikationsmethoden entstehen verschiedene Kontakte und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen.
Raumkonzepte und Affekte im Hörspiel
Der Spatz, als Protagonist, orientiert die Zuhörenden in den unterschiedlichen Räumen der Geschichte. Der Spatz interagiert zum Beispiel mit seiner Umwelt, mit ihren jeweiligen Regionen und mit den typischen Gegenständen, die er mit seinem Spatzenhirn wahrnimmt.
An einigen Stellen haben wir Hintergrundgeräusche und Musik für eine bessere räumliche und zeitliche Orientierung integriert. So verweisen beispielsweise Windgeräusche darauf, dass sich der Spatz in der Luft befindet; Grillenzirpen untermalt eine nächtliche Stimmung.
Da Affekte durch körperliche Erfahrungen, Assoziationen und sozial konstruierte Werte beeinflusst werden, lösen unbekannte Gegenstände bei den verschiedenen Geschöpfen die unterschiedlichsten Affekte aus.
Kinder antworten auf die Fragen im Hörspiel
Im Hörspiel stellen wir den Zuhörenden mehrmals Fragen, um eine Reflexion der Geschichte und den Transfer aus dieser Phantasiewelt hinaus in die reale Welt anzustossen. Im Folgenden zeigen wir die Antworten auf die Fragen aus dem Hörspiel von fünf verschiedenen Kindern, die wir befragt haben:
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Max (9J) |
Moritz (5J) |
Dominik (12J) |
Sandra (7J) |
Lorenz (8J) |
Zu welcher Gruppe gehörst du und warum? |
Sportlis, weil auch sie Sport treiben. |
Naturlis, weil ich immer draussen sein will. |
Sportlis, ich treibe selbst gerne Sport und spiele Fussball. |
Farblis, weil ich schön male. |
Sportlis, weil ich gerne Fussball spiele. Ich bastle und lese aber auch gerne. Lesen aber nur ein bisschen. |
Was dachten die Geschöpfe über die unbekannten Gegenstände? Warum hatten manche Spass mit den neuen Gegenständen und warum andere nicht?
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Am Anfang hatten sie keine Freude, ein paar hatten danach aber neue Sachen erfunden. |
Ich will jetzt spielen. |
Manche hatten Freude, andere nicht. Weil einer fand es spannend, neue Sachen zu entdecken und ein anderer hatte schon einmal etwas Schlechtes erlebt. |
Ein paar hatten Freude, andere nicht.
Jemand fand, dass die Blumen gut gerochen haben, aber ein anderer denkt, dass die Blumen giftig sind.
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Sie waren traurig, aber nicht alle. Sie haben auch neue Spiele erfunden. |
Warum denken und fühlen wir unterschiedlich? Wie würdest du Affekt beschreiben?
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Diese Fragen finde ich schwierig und kann ich so nicht sagen. |
(Keine Antwort) |
Weil wir andere Erfahrungen gemacht haben. Manche Leute sind netter als andere. Schwierige Frage. Der Grund, warum wir etwas gut oder schlecht finden? Wenn wir ein böses Sportli getroffen haben, finden wir die anderen Sportlis auch böse. |
Weil jeder eine andere Sache mag und andere Sachen gut kann. |
Manche Menschen haben keine Angst, weil sie ein Messer haben. |
Ziel des Hörspiels war es, dass Kinder verstehen was das Konzept Affekt bedeutet. Basierend auf den Antworten der Kinder erkennen wir, dass die Frage nach dem Konzept Affekt gerade für die jüngeren Kinder schwierig zu beantworten ist. Dominik scheint das Konzept Affekt mit 12 Jahren jedoch gut erfasst zu haben. Spannend ist insbesondere auch die Antwort von Lorenz. Er ist ein Kind aus der Ukraine mit Fluchthintergrund. Er erwähnt, dass Menschen mit einem Messer keine Angst haben. Seine Antwort verweist unter Umständen auf Gewalterfahrungen, die er gemacht hat. Körperliche Erfahrungen und der Kontext in dem Menschen aufwachsen, beeinflussen wie bestimmte Gegenstände, Orte und Situationen verschiedene Menschen auf unterschiedliche Weise affizieren.